Haushaltsrede unseres Fraktionsvorsitzenden Guido Gahlings zum Haushalt 2025

Sehr geehrter Herr Bürgermeister, meine sehr verehrten Damen und Herren,

„Du kannst den Wind nicht ändern, aber du kannst die Segel richtig setzen.“ Der griechische Philosoph und Naturforscher Aristoteles beschreibt damit auch unsere Aufgabe in der Kommunalpolitik. Wind und oft auch scharfen Gegenwind können wir nicht verhindern. Aber wir tragen die Verantwortung, die Segel so zu setzen, dass Nettetal Kurs hält und vorankommt – auch in stürmischen Zeiten wie aktuell.  

Für das Setzen der Segel geben unsere Leitziele die Richtung vor:

Lebensqualität erhalten

Wirtschaftskraft stärken

Kindern, Jugendlichen und Familien Chancen geben

Klimaschutz als Generationenaufgabe annehmen

Nettetal hat viele Segel gut gesetzt.  Wir bieten Premiumwanderwege und vielfältige Naturerlebnisgebiete. Neue Gewerbeansiedlungen und ein guter  Breitbandausbau stärken die Wirtschaftskraft.  KiTas werden bedarfsgerecht ausgebaut – mit gesunden, nachhaltigen und recyclingfähigen Baustoffen. Das neu eingerichtete Jugendforum schafft zusätzliche Beteiligungsmöglichkeit für unsere junge Generation mit eigenem Budget für Projekte. Sehr positiv aufgenommene digitale Innovationen wie der Mängelmelder und ein KI-gestützter Chatbot setzen Maßstäbe und finden bundesweite Beachtung. Wir nennen uns nicht zu Unrecht Sport- und Kulturstadt, weil wir diese Bereiche umfangreich mit kommunalen Mitteln unterstützen.

Mit ersten Umsetzungsschritten im Mobilitätskonzept erhöhen wir die Verkehrssicherheit, ordnen wir den Parkraum und schaffen mehr Gleichwertigkeit der Verkehrsträger. Wir stellen uns im Rahmen der „Klimaoffensive für Nettetal“ den Herausforderungen des Klimaschutzes und der Klimafolgenanpassung. Windenergieprojekte entwickeln sich mit Beteiligung der Stadt und der Stadtwerke sowie mit Einbindung einer Bürgerenergiegenossenschaft. Frischer Wind, der uns bei bezahlbarer erneuerbarer Energie und beim Klimaschutz weit voranbringt. Mit vielfältigen Staudenbeeten, Wildwiesen und Baumpflanzungen in allen Stadtteilen setzen wir positive Beispiele für die Förderung der biologischen Vielfalt. Im bundesweiten Wettbewerb „StadtGrün naturnah“ hat Nettetal unlängst eine Silberauszeichnung mit der Tendenz zu Gold erreicht. Und schafft mit dem Förderprogramm „Nettetal grünt und blüht“ finanzielle Anreize für den privaten Bereich.

Aber guter Kurs erfordert stabile Finanzen: Die finanzielle Lage ist ernst. Nach aktuellem Stand liegt das Jahresergebnis für 2024 bei minus 12 Millionen€, für 2025 in der Haushaltsplanung bei minus 9.5 Millionen. Bis Ende 2027 ist die mit über 35 Millionen momentan noch sehr üppig gefüllte Ausgleichsrücklage aufgebraucht. Unser Puffer zum Haushaltsausgleich ist dann weg – und der Weg bis zu einem Haushaltssicherungskonzept nicht mehr weit. Das würde bedeuten: Wir können nicht mehr frei über unseren Haushalt entscheiden. Insbesondere freiwillige Leistungen, die unsere Lebensqualität ausmachen, wären in Gefahr.

Die Ursachen liegen nicht nur bei uns: Bund und Land übertragen den Kommunen immer weitere neue Aufgaben, ohne sie ausreichend zu finanzieren. Die Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben klafft weiter auseinander. Aber diese Situation wortreich zu beklagen hilft nicht weiter. Vielmehr gilt es, im Rahmen unserer eigenen Möglichkeiten mit Weitsicht und Augenmaß kommunale Antworten zu finden.

Unsere Verwaltung ist dazu schon seit längerer Zeit aktiv: Auf der Ausgabenseite wurden Einsparpotentiale durchleuchtet. Im Rahmen des Konzeptes „New Work“ wird u.a. durch neue Arbeitsformen auf einen teuren Rathausergänzungsbau verzichtet und die kostenintensive Anmietung von Nebenstellen schrittweise zurückgefahren. Die umfangreiche Liste der freiwilligen Leistungen wurde mit den Ampelfarben rot/gelb/grün bewertet, um vertretbare Kürzungsmöglichkeiten der Politik vorzuschlagen.

Dieser Blick auf die Ausgabenseite sollte immer Vorrang haben. Aber alleine damit wird das Finanzdefizit nicht zu schließen sein. Deshalb muss auch die Einnahmeseite in den Blick genommen werden. Wir brauchen dringend eine Verbesserung der Liquidität, um den Anstieg der Kassenkredite mit ihren Zinslasten abzusenken. Der von der Grünen-Fraktion unterstützte Vorschlag für eine moderate Anhebung der Gewerbesteuer von 410 auf den Kreisdurchschnitt von 447v.H. würde jährliche Mehreinnahmen von rund 2 Millionen€ mit sich bringen. Im Haupt- und Finanzausschuss am 03.12. gab es dafür aber keine Mehrheit.

 Weiter also nur abwarten? Was meine Fraktion schon sehr wundert: Während die Kämmerei die kritische Haushaltslage sehr transparent darstellt, scheint die CDU die Dramatik der Situation zu verkennen. Wir halten Aussagen wie „Das wird schon“ oder „Wir warten ab“ oder „Die Zahlen sind am Ende immer besser als am Anfang“ angesichts der rasanten Aufzehrung unserer Ausgleichsrücklage für unverantwortlich.

Selbst die als Konsens angesehen sehr moderaten und abgewogenen Absenkungen von Ansätzen im Bereich der freiwilligen Leistungen werden nun teilweise in Frage gestellt. Ganz kurzfristig quasi auf dem allerletzten Drücker kam nach monatelangen auch fraktionsübergreifenden Beratungen ohne jede Rücksprache am 04.12. der Antrag, einen Teil der vorgeschlagenen Ausgabenkürzungen nicht umzusetzen. Diese Liste ist für uns auch deshalb irritierend, weil es sich bei den aufgeführten Punkten überwiegend um Reduzierung von Ansätzen handelt, weil diese in den Vorjahren bei weitem nicht ausgeschöpft wurden. So bei den Geschäftsaufwendungen Ehrenamt, bei den Frühen Hilfen, bei den Zuschüssen für Jugendpflegemittel oder bei den Jugenderholungsmaßnahmen. Diese Kürzungen wären für niemanden spürbar gewesen und reduzieren lediglich ungenutzte Mittel.

Aber der Last-Minute-Antrag umfasst nicht einmal 100.000€. Bei einen Gesamthaushalt von mehr als 150 Millionen€ wollen wir uns deshalb darum nicht streiten. Viel wichtiger ist uns, dass der Haushalt angesichts vieler auseinandergehender Meinungen eine Mehrheit findet und wir handlungsfähig bleiben. Andererseits fragen wir uns: Wo sollen wir denn mit Einsparungen auf der Ausgabenseite anfangen, wenn nicht einmal die aus der Verwaltung selbst kommenden und gut begründeten Vorschläge zustimmungsfähig sind?

Es heißt, das wären falsche Signalwirkungen. So hieß es auch bei der Ablehnung der Gewerbesteuererhöhung. Aber was ist das umgekehrt für ein Signal? Millionendefizite ignorieren, auf Einsparungen zu verzichten und die Ausgaben sogar noch auszuweiten. So wie die beantragte Verwaltungsuntersuchung, die erst einmal mindestens 700.000€ an Kosten mit sich bringt und unklar ist, ob sie nachhaltige Einsparungen bringen wird. Das gilt ebenso für KI-gesteuerte Einsparhoffnungen.

Ich komme zum Fazit:

Die Grünen-Fraktion macht sich große Sorgen um die finanzielle Zukunftsfähigkeit Nettetals und unsere Gestaltungs- und Handlungsmöglichkeiten. Es wird zunehmend schwieriger werden, Nettetal in rauer See auf Kurs zu halten und die Segel entsprechend zu setzen. Dabei enthält er Haushaltsentwurf bereits buchhalterische Zaubertricks wie die Einrechnung eines sogenannten globalen Minderaufwand von maximal möglichen 2%. Auf gut Deutsch heißt das: Die Verwaltung soll aus laufender Verwaltungstätigkeit drei Millionen€ im nächsten Jahr einsparen. Selbst die Kämmerei stuft die Erfolgsaussichten als sehr gering ein.

Ein Haushalt also mit Tücken, und dass, obwohl es an Herausforderungen nicht mangelt. Zum einen ein Investitionsstau bei Straßen und Gebäuden, wo in vergangenen Null-Zins-Zeiten einfach viel zu wenig in den Substanzerhalt investiert wurde. Und dazu eine lange Prioritätenliste erforderlicher Großinvestitionen etwa beim OGS-Ausbau und bei den Feuerwachen. Oder die energetische Optimierung der kommunalen Liegenschaften auf dem Weg zur einstimmig beschlossenen Klimaneutralität bis 2040.

Die Grünen-Fraktion stimmt den Haushaltsentwurf 2025 einschließlich aller Anlagen zu. Um einer Haushaltsmehrheit willen zähneknirschend auch mit dem CDU-Antrag, auch wenn wir diesen inhaltlich kritisch sehen. Wir bedanken uns bei der Verwaltung und insbesondere der Kämmerei um Herrn Grafer für die geleistete Arbeit. Sie haben uns eindrücklich aufgezeigt, in welch schwieriger Situation wir mit unserem Haushalt sind, wenn wir nicht mit Entschiedenheit und Weitsicht gegensteuern. Leider fanden ihre Botschaften und Handlungsvorschläge viel zu wenig politischen Widerhall. Die Entscheidungen sind nun verschoben und werden in der neuen Ratsperiode mit umso größerer Dinglichkeit anstehen. Damit die Segel auch bei schwierigem Wind weiter gut gesetzt werden können.